Chang Jiang

Chang Jiang, das definitiv älteste noch gebaute Motorrad dieser Welt

Aus dem fernen China gelangen nicht nur Hightech-Produkte wie Computer, Digitalkameras, Handys und überhaupt alles hierher, sondern auch Highend-Motorräder.

Man sieht’s nur nicht auf den ersten Blick!

Seit Mitte der 50er Jahre des letzten Jahrhunderts werden genau dort ziemlich grobschlächtig wirkende Motorrad-Gespanne gedengelt, die der deutschen Vorkriegs-BMW R71 verblüffend ähneln.

Der Legende nach haben die Russen nach Einstellen der M 72-Produktion ihre Pläne nebst Fertigungsmaschinen über die Große Mauer entsorgt. Dort wurden flugs neue Produktionsanlagen errichtet und fleißig luftgekühlte 750ccm Boxergespanne produziert.

Und nun?

Emsige Chinesen sammeln heute alte Motorradrahmen, komplettieren sie mit neuen Komponenten (Motor, Getriebe, Bleche, Elektrik) und fertig ist das zulassungsfähige China-Gespann.

Fahrzeuge mit Rahmen aus aktueller Produktion haben nur schwerlich eine Chance zur Zulassung im EG-Raum. Emission, Bremsen, Geräusche etc. müssen den aktuellen Zulassungsvorschriften entsprechen. Aufwendige Umbauarbeiten und Verbesserungen nimmt z.B. die überall bekannte Firma Fritz Egli vor.

Und die Qualität?

Keine Sorge – Gespanne aus China sind auch ziemlich übel und die Umstellung vom Russengespann fällt leicht. Wer das Finish eines Produktes einer bayrischen Manufaktur erwartet, wird durch die Hölle gehen und die Chang nebst Verkäufer verfluchen.

Konkret: was ist gut und was ist schlecht?

Gut ist,

• dass es so was gibt,
• dass es nicht an jeder Ecke steht wie ein Ferrari oder das amerikanische Zeug,
• dass nicht jeder damit klarkommt.
• dass es das einzige Motorrad ist , mit dem man einen feinen Burnout hinlegen kann;

Wohlgemerkt: Rückwärts !!

Gut ist ferner der zuverlässige Motor. Es gibt zwei Varianten. Zum einen den von der M 72 oder R 71 bekannten seitengesteuerten luftgekühlten 750 ccm- Boxermotor (SV = Side-Valve), welcher 26 PS leistet, zum anderen den moderneren OHV-Motor mit ebenfalls 750 ccm und etwa 32 PS.

Beide sind ausgestattet mit einer Drehstromlichtmaschine mit 12 Volt/280 W (ähnlich der alten Bosch-LiMa in Guzzis und BMWs) und einem gut zugänglichen Zündverteiler mit mechanischer Zündverstellung sowie selbstverständlich einem kleinen und hochwirksamen Elektrostarter. Das zuverlässige Getriebe (4Gang vorwärts, Fuß- sowie Handschaltung) verfügt über einen Rückwärtsgang. Ebenso prächtig funktioniert der wartungsarme Hinterradantrieb (Kardanwelle), welcher wie gewohnt über eine Kardanwelle vom Getriebe versorgt wird.

Gestartet wird „kultig“ mittels Kickstarter. Zumindest vor Publikum.

Das macht ´nen schlanken Fuß. Sobald jedoch keiner zuschaut, kann der geplagte Motocyklist den Elektrostarter und somit den Motor mittels Knopfdruck in Gang setzen.

Gut ist weiterhin das Gesamtkonzept – niedriger Schwerpunkt, sehr wichtig für den sportlich ambitionierten Fahrer, Einzelsättel (der Sozius ist auf einer stabilen Gepäckbrücke montiert) , Geradewegfederung, Beiwagen mit Drehstabfederung und Boot in Blattfedern gebettet, Kofferraumklappe, sympathischer solider Gesamteindruck.

Schlecht ist

… eigentlich der Rest:

· Die Batterie ist unglücklich platziert und viel zu dick (kann man leicht ändern),

· die Lackqualität trotz Grundierung,

· die Bremsen (kann man modifizieren mit Ural-Teilen),

· das Finish

· die Chromteile (Auspuff, Felgen)

· die elektrische Verkabelung

· der Rundlauf der Räder („unregelmäßige Vielecke“)

Ersatzteile?

Es sieht gut aus bis sehr gut .

Wir haben fast jedes Ersatzteil zu einem wirklich günstigen Kurs am Lager.

Glück für die ganze Familie

Jeder in der Familie freut sich, wenn das Gespann läuft – Papa geht nicht mehr so oft in die Kneipe, sondern trinkt seinen Bambusschnaps in der Garage. Er fährt auch nicht mehr so weit weg von Zuhause und …

Etwas nervig …..

…wird es schon, wenn man´s eilig hat, wobei das Fahren zügig vonstatten geht und man genug zu tun hat (man kann auch prima „on board“ frühstücken und rauchen etc.).

Aber das Tanken. Schlimm.

Man kommt nicht weg. Also nicht etwa: Anhalten, Tanken, Rein zum Bezahlen und weg,

sondern es lauern immer (immer!) irgendwelche Leute in der Ecke und gucken und staunen und wollen irgendwas wissen.

Und das in diesen rastlosen Zeiten. Die könnten arbeiten gehen und man selbst auch.

Zusammengefasst kann man festhalten: Anschauen und Probefahren lohnt sich.

Kaufen sowieso, damit ´s dem Händler und den ganzen Chinesen bald noch besser geht.